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Emotionale Intelligenz ist keine Intelligenz

Wenn man darüber spricht, was Intelligenz denn eigentlich sei, ist es für Jakob Pietschnig auch wichtig festzuhalten, was sie auf keinen Fall ist. Er erklärt: „Auch wenn der Begriff von der „Emotionalen Intelligenz“ seit den 1960er-Jahren immer wieder auftaucht – und von Howard Gardner in die Liste seiner „multiplen Intelligenzen“ aufgenommen worden ist, zählen emotionale Intelligenz und auch soziale Kompetenzen nicht zur Intelligenz.“ Bei ihnen handelt es sich vielmehr um Persönlichkeitseigenschaften als um Fähigkeiten. In aller Munde ist die „Emotionale Intelligenz“ sei der Publikation „EQ. Emotionale Intelligenz“ des Psychologen und Wissenschaftsjournalisten Daniel Goleman (*1946) aus dem Jahr 1995, die international zum Bestseller avancierte. Er stellt darin einer breiten Öffentlichkeit sein Konzept von der „emotionalen Intelligenz“ vor und preist die Vorzüge zwischenmenschlicher Kompetenzen gegenüber den, wie er sagt, „herkömmlichen“ Fähigkeiten. Jakob Pietschnig lehrt Differentielle Psychologie und Psychologische Diagnostik an der Universität Wien.

Die emotionale Intelligenz lässt sich nicht messen

Den theoretischen Unterbau für seine Theorie lieferten die Persönlichkeitspsychologen John D. Mayer (*1953) und Peter Salovey (*1958) in den 1990er-Jahren, die auf die Schlüsselrolle der Kompetenz im Umgang mit Gefühlen für ein glückliches Leben hingewiesen haben. Im Gegensatz zur psychometrischen Intelligenz lässt sich beim Versuch der Erfassung der emotionalen Intelligenz nicht zwischen eindeutig richtigen und eindeutig falschen Antworten unterscheiden.

Bei emotionalen Intelligenztests soll etwa die emotionale Aussage eines Gesichtsausdrucks auf einem Foto bestimmt werden. Wirkt die Person eher erfreut oder überrascht? Jakob Pietschnig weiß: „Eine objektiv richtige Antwort gibt es darauf nicht. Man versucht, diesem Problem mit einer Art „Mehrheitsentscheid“ der Testteilnehmer zu begegnen, indem man diejenige Antwort als „am richtigsten“ wertet, die von den meisten Teilnehmern gewählt wird.“ Bei dem Versuch der Erfassung einer kognitiven Fähigkeit wäre ein solches Verhalten undenkbar.

Soziale Kompetenzen sind nicht unwichtig

Die Erfassung von emotionaler Intelligenz basiert auf demokratischen Prinzipien, die von kognitiven Fähigkeiten auf objektiven Kriterien. Noch schwerer wiegt der Umstand, dass sich nur verhältnismäßig geringe Zusammenhänge mit anderen etablierten Faktoren, welche die psychometrische Intelligenz repräsentieren, zeigen. Emotionale Intelligenz und sozialen Kompetenzen haben also mit psychometrisch erfasster Intelligenz wenig zu tun. Das bedeutet natürlich nicht, dass soziale Kompetenzen unwichtig sind.

Oft im Gegenteil. Aber sie stellen eben keine Form der Intelligenz dar. Jakob Pietschnig betont: „Die große Herausforderung bei der Messung unserer geistigen Fähigkeiten besteht darin, dass diese unsichtbar in unserem Inneren wirken. Anders als physische Merkmale lassen sich psychische – und zwar weder Persönlichkeitseigenschaften noch geistige Fähigkeiten – direkt beobachten.“ Grundsätzlich ist das für andere Maße einfacher. Will man beispielsweise eine Distanz bestimmen, dann besorgt man sich ein Lineal, Maßband oder etwas Ähnliches. Quelle: „Intelligenz“ von Jakob Pietschnig

Von Hans Klumbies

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